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Thema: England und Großbritannien
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17.07.2001; Robert Morten

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Titel:Die englische Revolution - Teil 1, (1603-1635)
Untertitel:England unter Jakob I. Stuart - Kampf um die Verfassung: Karl I. und Buckingham
kat:Hintergrund
subkat:Geschichte
subsubkat:Revolutionen
aufmacher:Am 24. März 1603 gelangte Jakob VI. von Schottland, »ein alter und erfahrener König«, voll Ungeduld auf den englischen Thron. Vom verarmten Norden aus wirkte das Elisabethanische England wie das verheißene Land. In Wirklichkeit war es ein Land der Probleme. Die prachtvollen, neuerbauten Landsitze, in denen Jakob auf seinem Weg nach Süden abstieg, deuteten auf wirtschaftlichen Fortschritt, freilich einen sehr ungleichmäßigen. In allen Schichten der Gesellschaft gab es solche, die dank ihrem Fleiß, ihrer Klugheit, ihrer Strebsamkeit, oder einfach deshalb vorankamen, weil sie vom Glück begünstigt waren. Doch gerade die Kräfte, die diese Menschen förderten - zusammen mit einer unvollkommen erfaßten Inflation -, taten anderen, weniger Gewandten, Schaden, und zu diesen gehörte auch die Monarchie.
text:Der an Zahl geringe Tudor-Hochadel hatte erbittert um Stellung und Gewinn gerungen; verschwenderische Kreationen der Stuarts regten nur noch schärfere Auseinandersetzungen an. Auch unter dem Landadel gab es Reibereien, die, vermehrt durch das Emporkommen des einen, den Ruin oder das Stillstehen anderer, eine fiebrige Hitze erzeugten, welche sich ihrerseits in zerrüttende politische Aktivität umsetzte. In kommerziellen und industriellen Kreisen, die oft durch Heirat, verwandtschaftliche Bande oder Investitionen mit der Gentry liiert waren, gab es sowohl Überfluß wie Bankrott.

Den »niederen Ständen« der wenig mehr als vier Millionen zählenden Bevölkerung mußten die Verhältnisse labil vorkommen. Die meisten von ihnen waren nicht vollbeschäftigt, konnten kaum ihr nacktes Leben fristen und verhungerten oft genug buchstäblich. Schlechte Verkehrswege und unzureichende Handelseinrichtungen brachten es mit sich, daß die eine Gegend mit Waren überschwemmt sein konnte, während nahebei entsetzliche Not herrschte: das Werk einer verhaßten Natur, unterstützt von der Hartherzigkeit der Menschen - der »Raffer« -, gegen die Geistliche und Moralisten erfolglos wetterten. Das Volk war zwar gelehrig, doch unter verstärktem Druck mochte es leicht wider den Stachel locken.

Um nicht Gefahr zu laufen, die Ordnung zusammenbrechen zu sehen, hatten die Tudors versucht, die soziale Harmonie durch eine gegen allen wirtschaftlichen Wandel gerichtete Gesetzgebung zu erhalten oder überhaupt erst herzustellen. Dies war ihnen mißlungen, und 1603 mußten sie schließlich den unvermeidlichen Übergang zu neuen Wirtschaftsformen zugestehen. Die Industrie gab die schwierigsten Probleme auf. Der wichtigste Handel - der mit Tuchen - gestaltete sich bei zunehmender Verfeinerung des Geschmacks bewegter und verlangte hochwertigere Ware. Währungsschwierigkeiten und stark schwankende Nachfrage, die ihrerseits auf örtlich unsichere Verhältnisse oder gar eine allgemeine europäische Wirtschaftskrise schließen ließen, brachten Preisstürze mit sich. Ohne Ausnahme trafen diese den Staat unvorbereitet, der zwischen angestrengten Regulierungsversuchen und völliger Kopflosigkeit hin und her schwankte. Alderman Cockaynes Projekt (1616), ein ausgemachter Reinfall, zeigte, wie wirr das wirtschaftliche Denken und Handeln sein konnte.

Entsetzt über die Ausschreitungen entlassener Arbeiter, versuchte die Regierung, den eisigen ökonomischen Wind dadurch zu mildern, daß sie privilegierte Gesellschaften beauftragte, die nicht abzusetzenden Tuche aufzukaufen, daß sie die Märkte mit billigem Getreide beschickte und die private Mildtätigkeit (von der es nie genug gab) durch Verfügung der Armengesetze ergänzte. Solche ad hoc unternommenen und oft wenig durchdachten Aktionen vermochten nicht die Bauernaufstände von 1607, 1627 und den frühen dreißiger Jahren jenes Jahrhunderts abzuwenden. So entsteht das Bild einer unterentwickelten Wirtschaft, in der sich gewaltige Extreme des Reichtums und der Armut nebeneinander zu halten vermochten und von gesellschaftlicher Harmonie kaum die Rede sein konnte.

Die wirtschaftliche Initiative ging von London aus. Diese große Stadt, schon damals beängstigend übervölkert, war der Magnet für alle, die es im Leben zu etwas bringen wollten. Der königliche Hof und die Staatsministerien verhießen einem angehenden Lordkanzler so gut wie einem Küchenjungen Beschäftigung, Einkommen, Rang und Einfluß. War die Krone auch nicht reich, so war sie doch ein großzügiger Brotgeber und Konsument. Der Hof mästete sich an der Krone, und London wiederum hielt sich an den Hof. Doch auch draußen verfolgte die City ihre Interessen. Sie war das Herz der nationalen Politik und des Rechtswesens, der wichtigste Hafen, das Domizil großer Gesellschaften, die mit der Levante, den baltischen Staaten, Mitteleuropa, dem Osten und den aufblühenden Kolonien in Nordamerika Handel trieben. Die meisten staatlichen Finanzaktionen - die Erhebung von Steuern und Auflagen und des »Pfund- und Tonnengeldes«, die Verleihung von Monopolen - waren in London konzentriert. Die zwiespältige Haltung der Hauptstadt bei allen Auseinandersetzungen der Epoche erklärt sich aus der Abhängigkeit des wachsenden Geldmarktes von den königlichen Unternehmungen. Die Bankiers der City, die Steuerpächter und Geldgeber der Regierung, ja die Geschäftswelt im ganzen hatte ein Interesse am Überleben der Stuarts. Doch die kleineren Leute in der City waren neidisch auf solches Cliquenwesen, und ihre Reaktionen dagegen hatten ähnliche politische und soziale Konsequenzen wie die Abneigung der Provinzunternehmer gegen die oligarchischen Privilegien der Hauptstadt.

Jakob I. und sein Sohn mußten die schmerzliche Erfahrung machen, daß sich hinter dem äußeren Glanz der Tudormacht eine sehr viel weniger erbauliche Realität verbarg. Gewiß, die Tudors hatten eine, gegenüber allen früheren Staatswesen und den meisten neben ihnen vergleichsweise starke Monarchie aufgerichtet, die es mit den Widrigkeiten eines ehernen Zeitalters durchaus aufzunehmen vermochte - mit Reformation und Gegenreformation, mit Parteiengeist, mit Krieg an den Grenzen und Inflation. Sie hatten die Barone gebändigt und die Kirche fester in die Hand bekommen. Aber diese Leistungen hatten ihre geringen Kräfte erschöpft.

Was den Staaten zu jener Zeit allenthalben in beängstigender Weise not tat, war die Koordination der lokalen und der zentralen Verwaltung, die einer zerrütteten Gesellschaft zu Einheit und Einheitlichkeit hätte ausschlagen können. Die Herrscher der Spanier arbeiteten auf ihrer Halbinsel mit wechselndem Erfolg daran und beschwörten hierdurch die Revolution in den Niederlanden herauf. Die französischen Religionskriege waren zum Teil durch das Eingreifen der Monarchie In partikularistische Traditionen bedingt. In Deutschland enthüllte die Reformation die Schwäche des Reiches und die Stärke der einzelnen Länder. Überall setzte sich der Partikularismus zur Wehr, häufig - wie in den Niederlanden, Aragon und Südwestfrankreich - angeführt von Adligen, die ihre gesamte Lebensweise bedroht sahen. Nicht anders stand es in England, wo die Leute, wenn sie von ihrem country, ihrer Nation, sprachen, vor allem ihre county, ihre Grafschaft, im Auge hatten. Die Flut von Grafschaftschroniken während der Regierungszeit Elisabeths ist mehr als nur Ausdruck von Sentimentalität.

Ohne eine wirklich sachkundige Verwaltung, ein stehendes Heer und einen zentralen Nachrichtendienst waren die Tudors im Frieden wie im Krieg auf die Lokalbehörden, lokale Persönlichkeiten, angewiesen, die für die routinemäßige Verwaltung und die nationale Verteidigung zu sorgen hatten und die Verbindungen in beiden Richtungen aufrechterhalten sollten. Die Mitglieder der Räte der »Notstandsgebiete« - im Norden und in den Marken von Wales - waren größtenteils von ihren örtlichen Belangen erfüllte Männer, die einer unvoreingenommenen Beobachtung der nationalen Dinge gar nicht fähig waren. Freilich konnte die Zentralverwaltung Erfolge für sich verbuchen, aber allein schon das Fortbestehen dieser anfänglich auf bestimmte Situationen zugeschnittenen Körperschaften deutet auf eine unverminderte Notwendigkeit hin. Ihre Abschaffung im Jahre 1641 durch Parlamentarier, die mehr Verständnis für nationale Erfordernisse hätten aufbringen sollen, wirft ein grelles Licht auf die Wendigkeit und Vitalität des Partikularismus. Überdies war der Angriff auf den Council of the North auch Ausdruck örtlicher Rivalitäten zwischen den großen Familien der Savilles und Wentworths. Eine eigene Ironie liegt in dem Umstand, daß die verhältnismäßig energische zentralistische Politik der dreißiger Jahre des 17. Jahrhunderts die einmütige Opposition der Lokalverwaltungen hervorrief, die sonst der Zusammenarbeit unfähig waren. Der auf Zentralisation gerichtete »Kreuzzug« Karls I. redete - anscheinend - deutlicher die Sprache der »Tyrannei« als die zweimal abgeschnittenen Ohren des William Prynne.

In diesem Zeitalter der Maßlosigkeit gab es noch andere Spannungen. Schon war ein Schwinden der öffentlichen Moral und der Redlichkeit im Staatsdienst festzustellen. Jakob I. trat das Erbe einer Generation an, die den Sinn für das »alte Gute« verloren hatte und nur noch für Augenblicke in Schach gehalten wurde durch den Zauber einer alten Königin - ein Geheimnis, das sie nicht weitergab. Solange Robert Cecil - aus gleichem Holz wie sein Vater Burghley - lebte, herrschte noch einige Ordnung. Doch nach 1612 verfiel die Königsherrschaft in Parteienhader, der durch den Aufstieg George Villiers, des Herzogs von Buckingham, eher angefacht als gedämpft wurde. Wer in seinen berückenden Kreis nicht eindringen oder sich dort nicht halten konnte, hegte heftigen Groll, der in gewissem Sinne Buckingham zur Last zu legen ist. Da er auch hierin Monopolist war, ist er vielleicht wirklich als »die Wurzel allen Übels« zu betrachten.

Da gab es noch tiefergreifende Probleme; unter ihnen jenes Konglomerat aus Ideen, Gefühlen und Interessen, gemeinhin Religion genannt. Zwischen seinen Jagdveranstaltungen erinnerte sich Jakob ihrer. Denn bei all seiner calvinistischen Spitzfindigkeit und seinem Liebäugeln mit dem Katholizismus zögerte er doch nie, die anglikanische Staatskirche zu unterstützen. Jene seltsame Institution, geboren aus leidenschaftlichem Disput und Widerwilligem Kompromiß, die jetzt vielen als eine gottgewollte, aus unbefleckter Empfängnis hervorgegangene Sache galt. Andere, die man mit aufreizender Vagheit »Puritaner« nannte, waren weniger glücklich mit dieser Kirche, die in alten katholischen Bräuchen wurzelte und nach Verbesserungen schrie. Als man ihm 1603 die bescheidene Millenary Petition vorlegte, war Jakob zu Gesprächen bereit. Doch die darauffolgende Kirchenversammlung in Hampton Court wurde von den Bischöfen hintertrieben, die ihm einredeten, die etablierten Institutionen wie Kirche und Monarchie müßten zusammenhalten. Was Jakob entging, war, daß die königliche Oberhoheit in der Kirche, auf den ersten Blick eine so wichtige Stütze der Monarchie, in Wirklichkeit ein höchst zweischneidiges Schwert war, verquickte sie doch die religiösen mit den verfassungsrechtlichen und politischen Konflikten.

Es war also ein kompliziertes und spannungsreiches Zeitalter: In allen gesellschaftlichen Belangen waren die Meinungen geteilt. Ja, in den Individuen selbst schlug ein »zwiefach Herz«, wie die tiefempfundene und zugleich verstandesscharfe Literatur der Zeit beweist. Gewicht aber muß darauf gelegt werden, daß merkwürdigerweise ein großer Teil der Uneinigkeit aus anfänglicher Übereinstimmung in den Prinzipien stammte, die dann aber, auf den Einzelfall angewandt, in sich zusammenbrachen.

Unter der Herrschaft der Tudors dehnte die Krone ihren Einfluß - wenn schon nicht ihre Macht - auf alle sich verändernden Seiten des Lebens aus. Untertan und Souverän waren übereingekommen, die Mißhelligkeiten innerhalb der bestehenden Rechtsordnung und Verfassung beizulegen, und jedermann respektierte die durch die Geschichte geheiligten Institutionen, wie Krone, Justiz und Parlament. Daher das ewige, nur in seltenen Fällen zynische Suchen nach Präzedenzfällen für anstehende Entscheidungen. Erfahrung brachte langsam zur Einsicht, daß es wenig Übereinstimmung darüber gab, was das Recht eigentlich sei. Im letzten wurde es zu einer Frage der Bestimmung des bisher ungeklärten Verhältnisses zwischen Staat und Bürger - zu einer verfassungsmäßigen Frage. Solche Bestimmung suchte man durch Festlegung vor allem des Verhältnisses zwischen der Krone und jener Institution zu erreichen, welche sich als »Bevollmächtigte der Nation« betrachtete - dem Parlament also und vor allem dem House of Commons, das zwar nur annähernd, aber immerhin recht tatkräftig die politisch aktive Nation verkörperte: die Leute mit Vermögen und Grundbesitz. Commons, Lords und der König - integrale Bestandteile des Parlaments sie alle drei - konstituierten miteinander eine »herrschende Schicht«. Spannungen innerhalb dieser Schicht brachten Konflikte mit sich, die 1642 zum Bürgerkrieg führten.

In förmlicher Weise trat Jakob I. der politischen Nation zum erstenmal im Parlament von 1604 gegenüber Es war für ihn kein sehr beglückendes Erlebnis. Das elisabethanische Parlament war niemals unterwürfig gewesen, aber in schwierigen Momenten war Elisabeth durch die »offene« Nachfolge geholfen worden, mit der darin enthaltenen Andeutung, daß das gesamte Gemeinwesen am dünnen Fädchen ihres Lebens hänge. Jakob, der eine gesunde Konstitution und Erben besaß, war ohne Widerspruch auf den Thron gelangt. Die außenpolitische Situation - wohlgesinnte Regierungen in Frankreich und den nahezu unabhängigen Vereinigten Niederlanden -, zusammen mit Jakobs eigenen Bemühungen um einen Frieden mit Spanien, machte zunichte, was die überzeugendste Bestätigung von Elisabeths Stärke gewesen war. Schlimmer noch: Sein Verlangen, den schließlich im Somerset House ausgehandelten Frieden mit Spanien durch ein wirksames Freundschaftsverhältnis zu stärken, ermutigte gewisse prospanische und profranzösische Parteiungen am Hofe, wenn auch einige Wirtschaftsgruppen davon profitieren. Die Außenpolitik führte zu Zänkereien im Parlament, die sich zu weiteren Mißhelligkeiten auswuchsen. Sie brachte auch eine scharfe Auseinandersetzung über das Recht auf freie Meinungsäußerung mit sich, das von den Commons beansprucht, von Jakob bestritten wurde. Wiewohl es zu Erweiterungen der Privilegien unter seiner Herrschaft kam, wußte sich Jakob im allgemeinen den weitreichenden Forderungen der »Apologie« von 1604 zu entziehen.

Wie Elisabeth hatte auch der neue König eine hohe Meinung von der königlichen Prärogative, aber mehr als sie neigte er dazu, sie eitel im Munde zu führen und taktlos zur Geltung zu bringen. Eine gerichtliche Entscheidung zugunsten von Steuerauflagen - Einfuhrgebühren, die der König ein Recht hatte zu erheben, um das wirtschaftliche Leben zu regulieren - wurde zu einer schamlosen Erhöhung der Tarifsätze ausgenutzt. Das Parlament diskutierte unausgesetzt eine Entscheidung, die fiskalisch und darum für die Verfassung gefährlich aussah. 1610 hatte der Graf von Salisbury (Robert Cecil), Master of the Wards und Lord-Schatzmeister (Lord Treasurer), die Kritiker der königlichen Finanzen durch den Great Contract zu entwaffnen gesucht, ein Instrument, das den laufenden königlichen Einkünften eine solidere Grundlage geben sollte, indem sie einige mißliche Einrichtungen, wie die Rechte der Markgrafen (wardship), abschaffte. Jakob, dem das Wort »Ökonomie« noch nie etwas gesagt hatte, war darüber nicht erbaut. Die Commons fürchteten, daß ein Herrscher mit gesichertem Einkommen alsbald nicht mehr willens sein werde, ein Parlament einzuberufen. Die stagnierenden Verhandlungen brachen schließlich ab, als das Parlament aufgelöst wurde. (Ähnliche, von Erzbischof Bancroft eingebrachte Anträge auf Festsetzung des Kircheneinkommens fielen damals gleichfalls unter den Tisch.) Was zu Salisburys staatsmännischster Leistung hätte werden können, erwies sich, wie ihm Jakob sarkastisch vorhielt, als sein »größter Irrtum«. Er hatte schließlich nur erreicht, daß die Meinungsverschiedenheiten über Finanzfragen in die Öffentlichkeit getragen wurden.

Salisburys Tod im Jahre 1612 war eine Katastrophe. Die Kommission, die ihn im Schatzamt ablöste, war bestechlich und untüchtig. Sie trieb die fiskalischen Forderungen, von denen viele zweifelhaft und alle verhaßt waren, in die Höhe. Jakobs eitles Bestreben, sein eigener Staatssekretär zu sein, verlor sich jeweils, wenn die damit verbundene Arbeit sein Jagdvergnügen störte. Sein zweites Parlament erwies sich, statt mit einem großen »Regierungsblock« aufzuwarten, als noch störrischer denn das erste. Binnen zweier Monate gab er ihm den Laufpaß - ein Symptom für die Ungeschicklichkeit der Stuarts im Umgang mit dem Parlament, doch ebenso ein Beweis für die Unzulänglichkeit der Führer des Unterhauses. In ihrer politischen Unreife fiel ihnen nichts Besseres ein, als Obstruktion zu treiben. Da ihnen die eigentlichen Regierungsprobleme entgingen, begriffen sie auch nicht, daß sie, um wahrhaft »die Treuhänder der Allgemeinheit« zu sein, während längerer Sitzungsperioden hätten versammelt bleiben müssen. Sie redeten gewandt vom guten Einvernehmen zwischen König und Volk, verhinderten aber durch ihre phantasielosen Taktiken gerade dessen Zustandekommen. Erst nach der »Glorreichen Revolution« von 1688/89 sollte man auf wirklich konstruktive Methoden zur Ausbalancierung von Exekutive und Legislative hinarbeiten.

Das »wirre« Parlament von 1614 unterbrach für kurze Zeit ein »persönliches Regiment«, das fast so lange währte wie später das berüchtigtere Karls I. Jakob sah sich sehr ähnlichen Problemen gegenüber, vor allem solchen finanzieller Art, behandelte sie aber weniger tatkräftig als sein Sohn, außer in den ein, zwei Jahren gegen Ende seiner Regierungszeit, als Lionel Granfield, ein äußerst tüchtiger und im englischen wie internationalen Finanzwesen sehr bewanderter Geschäftsmann, dem Schatzamt vorstand. Bis dahin hatte Jakob von der Hand in den Mund gelebt - unverbesserlich leichtsinnig und liebevoll nachsichtig gegen die Ausschweifungen seiner Günstlinge. Da ihm in der Kindheit Liebe versagt geblieben war, entwickelte er in späteren Jahren eine schmachtende Neigung für hübsche junge Männer. Salisbury hatte diese Männer von wirklich einflußreichen politischen Posten fernzuhalten gewußt, doch nicht verhindern können, daß ihre klebrigen Finger tief in die königlichen Schatztruhen langten. Nach Salisburys Tod rückte George Carr, Graf von Rochester, der Politik näher, sein Aufstieg wurde aber dank der beachtlichen Plattheit seines Verstandes und dem fachmännischen Geschick tüchtigerer Politiker aus dem Howard-Clan aufgehalten. Seine Aussichten schwanden gänzlich, als seine Mitschuld an der niederträchtigen Ermordung Sir Thomas Overburys aufgedeckt wurde und damit die rücksichtslose Eigennützigkeit der Parteien und der rasche Verfall der Sitten am geschniegelten Hofe Jakobs ans Licht kamen.

Die Parteien mochten irgendein Prinzip der Landespolitik verfechten, sie mochten profranzösisch oder prospanisch eingestellt sein, im Grunde verfolgten sie nur ihre eigenen Interessen oder die ihrer Familien. George Villiers, der letzte und größte von Jakobs Lieblingen, wurde dem König von einer vorübergehenden Allianz ansonsten miteinander rivalisierender Gruppen präsentiert, um die mächtigen Howards aus dem Feld zu schlagen. Zur allgemeinen Überraschung erwies er sich als mehr denn bloß ein hübsches Werkzeug. Er war in der Tat ein hochbegabter, vielseitiger Mann mit Geschmack, unabhängig, klug und politisch ehrgeizig. Eifrig bemüht, sich in allem und jedem zu versuchen, übernahm er vielerlei Ämter, nicht nur des Verdienstes und Ansehens wegen, sondern vor allem, um in ihnen etwas auszurichten. Wie Thomas Cromwell (um 1485-1540) war er ein »Laien-Inhaber vieler Pfründe«, wenn ihm auch die Zielstrebigkeit jenes schöpferischen Staatsmannes abging. Patriotisch gesinnt und zuweilen auch aufopferungsvoll, wußte er sehr Wohl, daß er König und Nation nichts eigentlich Exemplarisches zu bieten hatte. So nahm er die ihm übertragene Verantwortung gern an. Eine grillenhafte Anwandlung jedoch führte ins unerbittliche Verderben. Zunächst aber war sein Aufstieg zu Beginn der zwanziger Jahre endgültig gesichert, als es ihm unglaublicherweise gelang, den mißtrauischen Thronanwärter Karl, Prinz von Wales, für sich zu gewinnen. Ein halbes Dutzend turbulenter Jahre lang war er praktisch Premierminister von England. Daß es zumeist Jahre politischer Fehlschläge waren, darf nicht allein ihm zur Last gelegt werden, sondern war zum Teil das Erbe von Jakobs trügerischer Außenpolitik.

Als echter Mann des Friedens setzte Jakob alle seine Hoffnung auf ein gutes Einvernehmen mit Spanien, das, besiegelt durch eine Ehe zwischen seinem Erben und einer Infantin, die Verhältnisse im westlichen Europa stabilisieren und Englands Ansehen heben sollte. Der spanische Gesandte Gondomar, ein belustigter Beobachter der Schrullen des Königs von England, erkannte, daß Spanien durch die in die Länge gezogenen Verhandlungen nur gewinnen konnte. In deren Verlauf gelang es ihm, die Hinrichtung Sir Walter Raleighs durchzusetzen, einst der verhaßteste Mann im Königreich, jetzt aber der edle Märtyrer einer entwürdigenden Beschwichtigungspolitik. Er setzte sich für die Erleichterung des Loses der englischen Katholiken ein, gegen die sich Jakob, als erst einmal die Panik nach der »Pulververschwörung« des Jahres 1605 abgeklungen war, im allgemeinen duldsam erwies. Rief dies innere Spannungen hervor - desto besser. So würde England vielleicht von einschneidenden Interventionen abgehalten, wenn am Ende des zwölfjährigen Waffenstillstandes (1621) der Krieg zwischen Spanien und den Holländern, für die die Engländer während des ganzen Jahrhunderts eine merkwürdige Haß-Liebe hegten, wieder aufflammte.

Die Umstände indessen wollten es, daß der Krieg schon früher und anderswo ausbrach - im fernen Böhmen nämlich. Hier wurden nun die englischen Gefühle tief aufgewühlt, weil Jakobs calvinistischer Schwiegersohn, Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz, unbesonnenerweise die Krone Böhmens aus den Händen der Rebellen entgegengenommen hatte. Die Habsburger verbündeten sich mit der Gegenreformation, um Friedrich, den Verfechter der protestantischen Sache, zu Fall und sogar um seine Erblande zu bringen. Diese verdrießliche Lage veranlaßte Jakob, seine Bemühungen um Spanien zu verstärken. Sicher konnte er durch Spanien Erleichterung für Friedrich erwirken. Gondomar gab ihm recht und hielt eine Infantin - und eine Mitgift - dem optimistischen König vor die begehrlichen Augen.

Doch das Jahr 1620 brachte die schwerste wirtschaftliche Erschütterung der letzten fünfzig Jahre. Die königlichen Finanzen, von Cranfield nur mit Mühe und Not geordnet, ächzten. Ein Parlament war unumgänglich. Doch die Commons, die sich wegen der Wirtschaftskrise Sorgen machten und den spanischen Absichten mißtrauten, wollten nichts von einer Politik wissen, die dem Papismus daheim und auf dem Kontinent den Rücken stärkte.

Übrigens hatten sich in den parlamentslosen Jahren die Mißstände vermehrt. Die großzügigen Verleihungen von Monopolen hatten auf haarsträubende Weise öffentliche Einkünfte privaten Händen überantwortet und der Krone von parlamentarischer Genehmigung unabhängige Mittel zugänglich gemacht. Um einige besonders eklatante Verleihungen zu attackieren, griff man zu einer mittelalterlichen Waffe: der »Ministerklage« (impeachment), die letztmals im Jahre 1469 angewandt worden war, ein bezeichnendes Beispiel übrigens, wie sich ein modernes Problem, zumindest zeitweilig, an Hand historischer Forschung lösen läßt. Die Ministerklage konnte obendrein eine gewisse ministerielle Verantwortlichkeit bewirken. Lordkanzler Francis Bacon wurde der Korruption bezichtigt. Vielleicht hatte er wirklich die schier unsichtbare Grenze zwischen Redlichkeit und Bestechlichkeit überschritten, doch zu Fall brachte man ihn wegen der Nachdrücklichkeit und Überzeugungskraft seiner absolutistischen Ansichten. Beflügelt von diesem Sieg, gingen die Commons einen Schritt weiter und forderten freie Aussprache über die Außenpolitik. Jakobs Weigerung wurde als Absage an grundsätzliche Privilegien ausgelegt, aber die Commons ließen nicht locker. Die verfahrene Situation wurde nur durch eine neuerliche Parlamentsauflösung aus der Welt geschafft, eine Episode, die die Untauglichkeit auf beiden Seiten bloßstellte.

Cranfield setzte alles daran, den König vom Parlament unabhängig zu machen, wobei seine Menschenkenntnis, sein Finanzgeschick, seine Verbindungen in der City, seine umsichtige Wirtschaftsplanung sich sogleich bezahlt machten. Doch Jakob war vor der Zeit senil geworden und gab sich nur noch spanischen Träumereien hin. Wenn auch mit Tränen in den Augen, stimmte er doch Buckinghams wildem Plan zu, Prinz Karl nach Madrid zu Schicken, damit er sich dort in eigener Person eine Infantin erobern sollte. Mit einem frechen Abschiedskuß auf des Königs »schmutzige Hände« machte sich Buckingham nach Spanien auf, überzeugt davon, daß er allen professionellen Diplomaten überlegen sei. Dort gab es ein herbes Erwachen. Die beiden jungen Männer beliebten, sich als die von ihren ratlosen Gastgebern Brüskierten zu fühlen und jagten, nichts als Krieg im Sinn, nach Hause und waren unwahrscheinlicherweise einen Augenblick die Helden des Tages. Buckingham war in derart gehobener Stimmung, daß er bereit war, es mit einem Parlament aufzunehmen (1624). Diesmal wurden die Commons offen ermuntert, über Außenpolitik zu diskutieren und vor allem darüber, wie das treulose Spanien zu demütigen sei. Dies war dem Parlament sehr lieb. Es zögerte auch nicht, Granfield anzuklagen, der, nachdem er Buckingham seinen Dienst getan, nun Wind und Wellen preisgegeben werden konnte. Jakob war zu lethargisch, um sich seinen ungestümen »Jungen« zu widersetzen, wenn er ihnen auch in einem lichten Augenblick prophezeite, daß sie noch ihr gerüttelt Maß an Parlamenten haben würden.

Buckingham, der sein spanisches Erlebnis noch nicht verwunden hatte, machte sich nun daran, den gewaltigen Richelieu für eine antihabsburgische Allianz zu gewinnen wie auch für eine Heirat zwischen Ludwigs XIII. Schwester Henrietta Maria und dem Prinzen von Wales. Bei diesem Handel bekam England zwar eine Königin, doch sehr wenig sonst, während Buckingham - völlig jenseits seiner Möglichkeiten - Erleichterungen für die englischen Papisten und Hilfe gegen die aufrührerischen Hugenotten zusagen mußte. Die Heirat fand wenig Anklang in England, und in Buckinghams Politik sah man wenig Gemeinsames mit den Zielen, die sich das Parlament von 1624 gesetzt hatte.

Jakob I. starb, ein zittriges Wrack, im März 1625. Seine Regierung wie auch sein Charakter waren merkwürdig unausgeglichen gewesen. In vieler Hinsicht war es ihm nicht gelungen, die bedeutende Stellung der Tudormonarchie aufrechtzuerhalten; immerhin hatte er diese nicht ganz und gar untergraben. Viel Gewicht ist auf seine Vorliebe für große Worte gelegt worden; es war aber nicht sein fortwährendes, ermüdendes Sich-Berufen auf das göttliche Recht, das ihn in Schwierigkeiten brachte. Diese Schwierigkeiten hätten sich jedem Nachfolger der Königin Elisabeth - auch dem wendigsten - gestellt. Dank den bizarren Mängeln seines Charakters verschärfte Jakob lediglich noch die Mißhelligkeiten. Als schwächliches Abbild einer Majestät, verdrießlich und weitschweifig, wie er war, besaß er nur wenige der Eigenschaften, die geeignet gewesen wären, ein Volk für sich zu gewinnen, dessen Herz sich stets dem ausgeprägten »Charakter« zuneigte. Aber wiewohl seine Regierung in politischer und verfassungsrechtlicher Hinsicht inkonsequent wirkte, so fällt sie immerhin mit einer kulturellen Blüte zusammen. Diese Blüte wurde zwar bisweilen als bloßes Anhängsel der gepriesenen Zeiten der »Ruhmvollen« betrachtet, dennoch weist sie ihre eigenen wundervollen Züge auf. Donne und Bacon, Shakespeare und Bischof Andrewes, Jones und Jonson lassen sich kaum auf einer einzigen Seite des Geistes abhandeln. Ihr Werk reflektiert wie in einem Brennspiegel etwas von der Unrast einer Zeit, in der alles in Frage gestellt zu sein schien, und bildet ein passendes Vorspiel zu der größeren Katastrophe, in der die Welt - oder doch zumindest England - auf den Kopf gestellt wurde.

Kampf um die Verfassung:
Karl I. und Buckingham

Buckinghams Übergewicht hätte mit dem alten König ins Grab sinken können, doch ihm galt auch die Liebe des neuen, eines kalten, verschlossenen, starrsinnigen jungen Mannes, der tief gekränkt war von der ungezwungenen Volkstümlichkeit eines älteren Bruders - Prinz Heinrichs -, dessen Tod im Jahre 1616 ihn unvermutet in die verantwortliche Position gelangen ließ. Karls I. Liebe zu Buckingham zeigte nicht so sehr Qualitäten in diesem großspurigen Günstling an als tiefreichende Ähnlichkeiten zwischen dem Vater und dem Sohn, der ebenso eifrig wie der liebeskranke alte Herr die fieberhaften Abenteuer des Herzogs unterstützte und dadurch nur seine eigenen Probleme vermehrte. Die Eifersucht auf den Günstling und dessen Schmeichler seitens der vielen, die von seiner unverhohlenen Vorliebe ausgeschlossen blieben; religiöses Sektierertum; verfassungsrechtliche Zweifel; riesige Staatsschulden; Wirtschaftskrisen - dies alles waren armselige Voraussetzungen für die großen Gesten, die Buckingham glaubte machen zu müssen. Doch war er stets guten Mutes und gar zu sehr in Eile, um sich über irgend etwas viele Gedanken zu machen. Wenn er nur in Bewegung war.

Eine neue Regierung bedeutete ein neues Parlament. Doch Karl mußte entdecken, daß Geldmittel, die Seele des Krieges und der Verwaltung, nicht verschenkt werden, sondern verdient sein wollen. Das Pfund- und Tonnengeld, gewöhnlich automatisch auf Lebenszeit bewilligt, wurde diesmal nur auf ein Jahr zuerkannt. Arminianistische - oder hohe anglikanische - Kleriker, die durch die Nachdrücklichkeit ihres »Royalismus« und den Beigeschmack von Papismus, den sie an sich hatten, Anstoß erregten, wurden angegriffen. Schlimmer noch war die hämische Kritik an seinem Günstling, die Karl auf seine eigene Person bezog, gegen die sie ja auch, allen Loyalitätsbeteuerungen zum Trotz, gerichtet war.

So mußte denn das Parlament gehen. Karl und Buckingham würden schon allein zurechtkommen. Ein großer Coup, und alles wäre gewonnen. Die Sache sollte im elisabethanischen Stil vor sich gehen. Eine große Flottenexpedition nach Cádiz mußte der knauserigen Gentry und den von ihren Kanzeln donnernden Puritanern Respekt einflößen. Das wäre vielleicht auch geschehen - hätte diese Expedition nur Erfolg gehabt. Doch außerhalb der Grenzen Englands war das Glück Buckingham nie hold. Untergebene, seine eigenen Kreaturen, ließen ihn im Stich. Die Schuld lag unabweisbar bei ihm. Ohne Cranfield war der Staatssäckel leer. Ein neues Parlament mußte einberufen und um Mittel angegangen werden, nicht nur gegen Spanien, sondern jetzt auch für einen Krieg mit Frankreich, eine neuerliche Auswirkung von Buckinghams kindischer Überheblichkeit.

Das Parlament versammelte sich im alten ablehnenden Geiste. Der Herzog hatte sich ein Heer von Feinden geschaffen - die einen waren es aus Neid und Habgier, die anderen aus Prinzip -, und alle gaben vor, nur das öffentliche Wohl im Auge zu haben. Seine Freunde, wie der räuberische und untüchtige Schatzmeister der Flotte, Sir Sackville Crowe, zogen selbst in einem Zeitalter, das Vetternwirtschaft mit Familienpietät gleichzusetzen liebte, die allgemeine Verachtung auf sich. »Dem Sieger die Beute.« Ja - doch die einzigen Siege, die der Herzog bisher errungen hatte, waren solche über den König und das Königreich gewesen. So beklagten sich die Commons, angetrieben auch von besonnenen Männern, nicht bloß von dem schwankenden Sir John Eliot, der, einst ein Freund des Günstlings, nun dessen erbittertster Gegner war, über jeden einzelnen Punkt der königlichen Politik. Huldvoll ließ sich Karl im Stil einer elisabethanischen »Cäsarenbotschaft« hernehmen: Parlamente kämen, Parlamente gingen, ganz wie es ihm gefalle; sie seien hier, um Gelder zu bewilligen, also bitte!

Die kümmerliche Saat fiel auf steinigen Boden und erstickte alsbald im wuchernden Unkraut von Haß und Gleichgültigkeit. Eine gewaltige Anklageschritt gegen den Herzog wurde zusammengestellt, die auch - da im verfassungsrechtlichen Sinne Regierungsmißgriffe ebenso schlimm waren wie Verbrechen - die Anklage auf Vergiftung des verstorbenen Königs enthielt. (Zeitgenossen, die sich der phantastischen Enthüllungen im Overbury-Prozeß und gewisser dunkler Geheimnisse in Jakobs früherem Leben erinnerten, konnten so etwas durchaus für möglich halten.) Einige Peers, entrüstet über die schäbige Behandlung Bristols, der als Gesandter in Madrid zuviel über den Verlauf jener Werbung um die Infantin wußte und von Buckinghams lärmenden Anwälten mundtot gemacht worden war, schlossen sich dem Angriff der Commons an. Und wieder wurde der Günstling gerettet: die Parlamentsmitglieder wurden nach Hause in ihre Grafschaften geschickt.

Um sein Prestige zu retten, mußten jene beiden Kriege mit Glanz und Glorie geführt werden. Die gewaltigen Kosten versuchte man mit so unparlamentarischen Mitteln wie dem »unrechtmäßigen« Pfund- und Tonnengeld zu decken, die jetzt schon zu den altgewohnten Übeln gehörten. Sie reichten freilich nicht aus. So versuchte sich Karl durch Zwangsdarlehen die Gelder zu beschaffen, die ihm das Unterhaus vorenthielt. Wer sich weigerte, wurde in Buckinghams murrendes Heer gepreßt, vor den Geheimen Rat (Privy Council) zitiert oder mit Truppeneinquartierungen behelligt. Als fünf Ritter, die im Fleet-Gefängnis eingekerkert waren, auf Grund der Habeas Corpus-Erlasse Klage erhoben, erhielten sie den unter sorgsamer Umgehung der Darlehensfrage abgefaßten Bescheid, sie seien auf besonderen Befehl des Königs in Haft, was die Willkür in ihrem Falle evident machte. In einer undurchsichtigen Entscheidung schickten die Richter die Gefangenen wieder in die Untersuchungshaft zurück und rührten damit von neuem die verfassungsrechtlichen Zänkereien auf, die allen politischen Kontroversen zugrunde lagen. Karl tat sich auf solche juristischen Siege allzuviel zugute. Mit der Zeit mußte er, wie auch sein phantasieloser Sohn Jakob II., einsehen, daß ein Gesetz, das den Bedürfnissen der Menschen entgegensteht, von diesen, sofern sie es vermögen, umgestoßen wird.

Unterdessen war eine weitere aberwitzige Unternehmung - diesmal nach der Isle de Ré - mißglückt. Die Leute munkelten von verlorenen Märkten in Spanien, Frankreich und dem Mittelmeer. Buckingham, der Lord High Admiral, hatte, verstrickt in seine Hirngespinste, nicht vermocht, dem Piratenwesen in der Straße von Dover Einhalt zu gebieten. Kaum hatte sich England von der letzten Wirtschaftskrise erholt, schlitterte es auch schon in die nächste.

Unter diesen düsteren Vorzeichen trat das dritte Parlament 1628 zusammen. Normale Wahlverfahren brachten Männer ins Parlament, die persönliche Gründe hatten, sich über den Gang der Dinge zu beschweren. Von diesen wechselten freilich später einige in den königlichen Dienst über; im Augenblick aber wetteiferten sie miteinander im Aufzählen all der »Nöte der Nation«. Nicht alle diese Nöte waren auf ihren Stand beschränkt - sie waren zumeist wohlhabende Gutsbesitzer -, sondern betrafen alle Engländer. (Trotz einer Politik, die zuweilen wegen ihrer sozialen Wohltätigkeit gerühmt wird, gewann Karl eigentlich nie die Wortführer seiner weniger begüterten Untertanen für sich, da sie sich von ihm enttäuscht sahen.)

Mit der Weigerung, eine verpfuschte Außenpolitik zu unterstützen, wandten sich die tüchtigen Männer in beiden Häusern einmütig dringenderen Dingen zu. Der König mußte sich bereit finden, dem Rechnung zu tragen, was Leute, die noch immer am Präzedenzfall klebten, als die erprobten, herkömmlichen Verfahrensweisen ansahen. Jener alte Cato des Common Law, Sir Edward Coke, der vor langer Zeit von Jakob wegen seines »ewig aufrührerischen Betragens« entlassen worden war, verlangte, daß das königliche Wort in »parlamentarischer Weise« aufgefaßt, nämlich zu Protokoll genommen und in allen Einzelheiten festgehalten werden müsse. Er schlug die Erweiterung einer persönlichen Petition of Right durch Aufnahme auch öffentlicher Anliegen vor. In dieser - und hier handelte es sich um die - Petition of Right wurde Karl aufgefordert, willkürliche Steuerauflagen und Einkerkerungen, Zwangseinquartierungen und die Anwendung des Kriegsrechts in Friedenszeiten künftighin zu unterlassen, wenn dies alles auch gewissen bestehenden Rechten entsprach. Die Krone hatte sich also praktisch all jener Hilfsquellen zu entschlagen, die jede Regierung sich für Notfälle vorbehalten möchte. Karl war auf der Hut und erwiderte mit einer wortreichen Erklärung, die seine königliche Prärogativen unberührt ließ. Dies genügte nicht. Unter Druck gesetzt, gab er eine deutlichere Erklärung des Sinnes ab, daß die in der Petition aufgezählten »Urteile, Handlungen und Prozeduren« als gesetzwidrig zu betrachten seien. Die Krise, so schien es, war überwunden (Mai 1628).

Die Petition of Right ist als eine statutarische Beschränkung der königlichen Prärogativen angesehen und vom radikalen John Lilburne auf eine Stufe mit der Magna Charta gestellt worden. Gewiß schien sie die verfassungsmäßigen Bestrebungen gemäßigter Männer in hohem Maße zu erfüllen, und redlich eingehalten, hätte sie vielleicht dazu beigetragen, die Konflikte zu mildern, wenn sie diese auch kaum hätte ganz bannen können. In Wirklichkeit aber fühlte sich Karl durch seine zweite Erklärung nicht gebunden, und alsbald gingen auch seine Kritiker über die von der Petition gesteckten Grenzen hinaus. Während der restlichen Regierungszeit Karls wurde kaum darauf Bezug genommen. Statt dessen arbeitete man auf deutlicher festgelegte Beschränkungen der Prärogativen hin. In gewissem Sinne war die Petition nur eine vorübergehende Episode in einem immer erbitterteren Ringen um die Staatsverfassung.

Buckingham blieb. Um einem weiteren Ausfall gegen den Mann vorzubeugen, den er noch immer in Ehren zu halten beliebte, vertagte Karl das Parlament (Juni 1628 bis Januar 1629). Während der Parlamentspause sah man Sir Thomas Wentworth, einen reichen Gutsbesitzer aus Yorkshire, ehrgeizig und tüchtig, in königliche Dienste treten, als Präsident des Council of the North. Er war energisch für die Petition eingetreten, hatte sich aber über die verderblichen Machenschaften Eliots und seiner Anhänger erbost. Seine ehrlichen Absichten und seine Energie waren für die königliche Regierung anfänglich ein Gewinn, gereichten ihr später aber zum Unheil. Die Probleme des Herzogs lösten sich schließlich dadurch, daß er im August 1628, in Erfüllung einer kursierenden Prophezeihung, ermordet wurde.

Karl war erschüttert. In seinem tiefen Kummer wußte er, daß der Schirm, der ihm die übermütige Persönlichkeit seines Günstlings gewesen, für immer dahin war. Die zweite Sitzungsperiode des Parlaments bestätigte das. Die Petition und den Hingang des Herzogs mißachtend, ließen die Commons einen Hagel von Beschwerden auf ihn niederprasseln. Als sie sich weigerten, sich zu vertagen, wurden sie von königlichen Wachen auseinandergetrieben. Trotzig verabschiedeten sie durch Zuruf Resolutionen gegen die Erhebung und Entrichtung des Pfund- und Tonnengeldes und gegen »Neuerungen« in der Religion. Karl hatte nun gründlich genug vom Parlament. Elf Jahre lang würde er kein neues einberufen.

Um den »Dunst der Pflichtvergessenheit« zu zerstreuen, den »einige liederliche Künstler und Empiriker« über seine Untertanen ausbreiteten, plante Karl eine Zensur von Presse und Kanzel und exemplarische Strafen für alle Missetäter. Wieweit er der Situation gerecht wurde, ist schwer zu sagen, doch während die Jahre hingingen, traten nicht nur Chancen, sondern vor allem auch die Notwendigkeit deutlich zutage, die königlichen Prärogativen sowohl durch Gesetzesentscheidungen wie durch eine Politik der Ordnung und des wirtschaftlichen Aufschwungs zu verteidigen. Auch eine Spur sozialer Fürsorge um ihrer selbst willen mochte sich in seinen Anordnungen finden. Doch selbst noch bei dem Erzbischof William Laud, diesem beharrlichsten und nachdrücklichsten Verfechter des Paternalismus, bildete sie nur das Mittel zu einem höheren Zweck - in seinem Falle dem des wahren Gottesdienstes, der darin bestand, daß Individuen und Stände versöhnt miteinander lebten.

Ansonsten lag der Nachdruck auf weltlicheren Dingen, nämlich auf Erhaltung der Ordnung, um finanzielle Belastungen zu vermelden. Zum Glück blieb die Möglichkeit, sich einzuschränken. Die Kriege hörten auf, weil weder Frankreich noch Spanien an ihnen etwas lag. Doch Karl verlor keineswegs jegliches Interesse an den europäischen Händeln. Wie sein Vater glaubte er, daß die Diplomatie sicherer war als der Kampf, zumindest billiger und weniger geeignet, die Leidenschaften der »Parteien« zu schüren. Freilich gab es Spaltungen selbst im Kreise seiner nächsten Berater, die wahllos entweder französisch oder spanisch gesinnt waren. Karl selbst, von Wentworth darin bestärkt, neigte Spanien zu und ließ ungemünztes Gold zur Besoldung der spanischen Truppen in den Niederlanden durch Südengland passieren, um die gefährliche Straße von Dover zu umgehen.

So gewinnbringend dies in finanzieller Hinsicht war, so unklug war es in politischer, da zu jener Zeit die Partei des katholischen Habsburg, wie der Friede von Prag (1635) zeigte, zu triumphieren schien. Daß es mit Spanien in Wirklichkeit bergab ging, steht den Historikern deutlicher vor Augen als den Zeitgenossen. Das blinde Vorurteil der englischen Puritaner wurde von besser informierten Realpolitikern wie Richelieu geteilt. Aber selbst wenn Karl dieser Umstand zu Bewußtsein hätte gebracht werden können, hätte er wenig dagegen vermocht. Notwendigerweise mußte sein Hauptaugenmerk auf sein vereinigtes Königreich, England, Irland und Schottland, gerichtet bleiben.
Autor:Robert Morten
Datum:Freitag, 3.August.2001, 13:32
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