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Headline:Atomkraftwerk Temelin - zu spät, zu teuer, zu gefährlich
Stichwort:Atompolitik
Rubrik:Umweltschutz
Datum:20.März.2001, 21:50
Text:Nach wie vor höchste Sicherheitsbedenken
Die blamablen Pannen bei den Inbetriebnahmeversuchen der letzten Monate und die erneute Reaktorabschaltung vom gestrigen Tag bestärken den Bund Naturschutz im Verdacht darin, dass der Atomreaktor Temelin voller ungeklärter Probleme steckt. Die Wärmetauscher, die zu eng geführten Speisewasserleitungen und die rapide Versprödung des Reaktordruckgefäßes, werfen nach wie vor offene Fragen auf. Und der Erbauer, der tschechische Stromversorger CEZ, schweigt sich zum Hauptkritikpunkt aus, der unerprobten Kombination aus sowjetischer Hardware-Ausstattung und amerikanischer Leittechnik.
Der Bund Naturschutz ist besonders empört darüber, dass angesichts der offensichtlich unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen CEZ nach wie vor behauptet, den sichersten Reaktor in Europa zu errichten, gleichwohl aber Emissionswerte veröffentlicht, die um ein vielhundertfaches über denen vergleichbarer süddeutscher Reaktoren liegen.

Der Bund Naturschutz erinnert daran, dass im Abluftbereich des AKW Gundremmingen A (1967 bis 1977 in Betrieb), das vergleichbare Emissionen wie Temelin hatte, tausende Kinder mit Missbildungen zur Welt kamen. Der Fall ist bis heute nicht geklärt.

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben

Westeuropa hat längst mit dem Bau von Atomkraftwerken aufgehört, selbst im "Atomstaat Frankreich" wurde seit 1985 kein Atomauftrag mehr erteilt.
Hauptgrund ist, dass sich seit Anfang der 90iger Jahre die (1998 in Kraft getretene) Liberalisierung des Strommarktes abzeichnete. Riesige Überkapazitäten wurden von den ehemaligen Monopolgesellschaften in allen Ländern geschaffen. Atomkraft ist nicht mehr finanzierbar.

Vor diesem Hintergrund war der Beschluss der tschechischen Regierung, nach der Wende das lange gestoppte Atomkraftwerk Temelin weiterzubauen, wirtschaftlich verhängnisvoll. Das Geschäft mit dem Strom ist 2001 ein völlig anderes als es 1982 war, als mit der Planung von Temelin begonnen wurde.
Schon jetzt erzeugt die tschechische Stromversorgung große Überschüsse: fast ein Viertel des inländischen Strombedarfes. Mit Temelin wird ein weiteres Viertel dazukommen, die sich nicht wirtschaftlich vermarkten lassen.
Schon im Jahr 2000 exportierte Tschechien fast 12 Mrd. kWh Strom nach Deutschland, Tendenz stark steigend. Dieser Strom wurde (unter Zuhilfenahme der hohen Stromtarife für Tschechiens Privatkunden) auf Exportniveau - ca. 3 Pf/kWh - heruntersubventioniert. Im vergangenen Jahr wurde der tschechische Stromexport auf diese Weise mit 2,7 Mrd. Kronen subventioniert.

Die Quersubvention zu Lasten der tschechischen Stromkunden würde nach der Inbetriebnahme auf jährlich 12 Mrd. Kronen steigen. Wie weit das AKW Temelin an den Markterfordernissen vorbeischießt, zeigt der Vergleich mit den Gesamtkosten der Anlage (98 Mrd. Kronen), die in etwa 8 Jahren von den Stromkunden aufgebracht werden müssten.

Die deutsche Bundesregierung behandelt derzeit ein Änderungsgesetz zum Energiewirtschaftsgesetz, in dem noch einmal deutlich gemacht wird, dass auch für nicht EU-Staaten, die Einhaltung eines Minimums an Wettbewerbsregeln gültig ist, sonst gibt es keine Stromimporte nach Deutschland.

Augen zu und durch

Die öffentlichen Äußerungen des künftigen Temelinbetreibers CEZ, sowohl was die Wirtschaftlichkeit wie die Sicherheit des Reaktors betrifft, passen nicht mehr in die heutige Zeit. CEZ wird Schiffbruch erleiden, wenn es mit hohen Subventionen zu Lasten der tschechischen Stromkunden den Strom auf dem deutschen Markt verkaufen will.
Die Äußerungen zu den Sicherheitsproblemen zeugen von einer Ignoranz, die über den Stand der 80iger Jahre nicht hinausgekommen ist. Weder nach den Reaktorkatastrophen 1976 und 1977 im tschechoslowakischen Bohunice noch nach der von Tschernobyl 1986 wurde die tschechische Bevölkerung über die Lage aufgeklärt. Diese makabere Form der Geheimhaltung hat sich bei der tschechischen Atomlobby in der Zwischenzeit offenbar nicht geändert.

Energie für die Zukunft

Nach den neuesten Zahlen des Bayerischen Wirtschaftministeriums wird weltweit Uran noch 37 Jahre, Öl noch 44 Jahre reichen, Erdgas und Kohle nicht viel länger. Für die tschechische Industrie ist es also höchste Zeit, in moderne Technologien zu investieren, statt wertvolles Kapital in veralteten Techniken brachliegen zu lassen.

Die 100 Mrd. Kronen, die der Bau von Temelin bisher gekostet hat, fehlen beim Aufbau zukunftsträchtiger Techniken.

Den Bund Naturschutz erfüllen daher "die wachsenden Geschäfte" von e.on und CEZ mit größter Sorge. Er befürchtet, dass mit dem Interesse von e.on und anderen Stromhändlern an subventioniertem Strom Temelin "ferngesteuert" in Betrieb genommen wird. Viele bayerische Bürger haben daher schon ihren Stromvertrag mit e.on-Unternehmen gekündigt.

Forderungen:

Der Bund Naturschutz fordert, dass die Reaktorinbetriebnahme sofort eingestellt wird, eine Umweltverträglichkeitsprüfung wird sonst zur Farce.

Der Bund fordert die Offenlegung der Sicherheitsunterlagen, so dass auch die Expertengremien ohne Zeitdruck arbeiten können.

Der Bund Naturschutz fordert die Firmen des Stromkonzerns e.on, und andere Stromhändler auf, Importe und Subventionen offenzulegen und weitere derartige Geschäfte einzustellen.

Der Bund Naturschutz fordert die Bundesregierung auf, das Geschäft mit dem schmutzigen und hoch subventionierten Temelinstrom zu unterbinden

Der Bund Naturschutz fordert die tschechische Industrie auf, der Atomkraft eine Absage zu erteilen und stattdessen in zukunftsträchtige Energietechniken, wie Stromspartechnik und Erneuerbare Energien zu investieren.


gez. Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesbeauftragter des Bundes Naturschutz
in Bayern e.V.

gez. Dr. Ludwig Trautmann-Popp, Energiereferent des Bundes Naturschutz
in Bayern e.V.

gez. Paul Riederer, Kreisgruppenvorsitzender Landshut, Bund Naturschutz

gez. Karl Haberzettl, Kreisgruppenvorsitzender Passau, Bund Naturschutz
Quelle:Bund für Naturschutz in Bayern
Link:www.bund-naturschutz.de

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