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Headline:Kritik am Weltwirtschaftsforum
Stichwort:Wirtschaft
Rubrik:NGOS
Datum:21.Januar.2001, 00:00
Text:Referat von Jolanda Piniel
Erklärung von Bern, Koordinatorin "The Public Eye on Davos"

Kritik am Weltwirtschaftsforum
Die Kritik an der wirtschaftlichen Globalisierung nimmt zu. Besonders umstritten ist das Weltwirtschaftsforum, eine private Vereinigung, zu dessen Mitgliedern die weltweit grössten transnationalen Konzerne zählen. Die Aktivitäten des WEFs beschränken sich jedoch keineswegs auf wirtschaftliche Fragen. Seit langem nimmt das Weltwirtschaftsforum jede Gelegenheit wahr, den Einfluss der Wirtschaft auf die internationale Politik auszubauen. Zum Jahrestreffen des WEF erscheinen denn auch nicht nur seine Mitglieder, die Konzernchefs der grössten Unternehmen. Auch Spitzenpolitiker, Staatspräsidenten, Vertreter Internationaler Organisationen und Wissenschaftler sind eingeladen. Letztes Jahr hat mit Bill Clinton zum ersten Mal ein US Amerikanischer Präsident Davos besucht.
Auch dieses Jahr werden wieder rund 3000 Männer und einige wenige Frauen nach Davos reisen und hinter verschlossenen Türen die Welt ein Stück weiter globalisieren.
Der Anspruch des WEFs könnte vermessener nicht sein. Das diesjährige Motto lautet: Bridging the Divides, Creating a Roadmap for the Global Future. Eine Globale Zukunft, die vor allem von Vertretern der westlichen Industriestaaten im privaten Rahmen ausgehandelt wird?
Auf höchster Ebene wird an einem privaten Anlasses über wichtige Themen debattiert, Meinungen gefestigt und Vorentscheide getroffen, welche die breite Öffentlichkeit sehr wohl etwas angehen: Wer davon profitiert ist die Wirtschaft. Auf der Strecke bleiben hingegen die Prinzipien der Demokratie und der Transparenz, und mit ihnen politische Rahmenbedingungen, welche es ermöglichten, Menschen- und Arbeitsrechte sowie der Schutz der Umwelt weltweit durchzusetzen – wo nötig auch gegen unmittelbare Wirtschaftsinteressen.

The Public Eye on Davos
Genau dafür setzen sich die Erklärung von Bern und ihre Partnerorganisationen ein. Letztes Jahr wurde daher die internationale NGO Kampagne "The Public Eye on Davos" lanciert. Seither ist die Trägerschaft dieser Kampagne von vier auf acht Organisationen auf der ganzen Welt angewachsen (siehe Mediendossier).
The Public Eye on Davos fordert einen Paradigmawechsel in der Globalisierung. Menschen- und Arbeitsrechte, soziale Gerechtigkeit und die Erhaltung der Umwelt müssen einen wesentlich stärkeren Stellenwert erhalten. Eine wichtige Voraussetzung dafür bilden demokratische und transparente Entscheidungsstrukturen, auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene. Die von den negativen Auswirkungen der Globalisierung Betroffenen müssen mitentscheiden können. Für die Pressekonferenz in Davos wird eine Plattform vorbereitet, welche die Forderungen des Public Eye on Davos in gebündelter Form wiedergibt.

Strategische Grundsätze
Die Arbeit der Erklärung von Bern basiert auf folgenden Grundsätzen:

Dialog, wenn sinnvoll
Druck von aussen, wenn nötig
Ablehnung von Gewalt, von welcher Seite auch immer

Was heisst dies nun konkret auf Davos bezogen?

Position gegenüber dem WEF
Wir sind bei der Lancierung des Public Eye on Davos letztes Jahr in einen direkten Kontakt zum WEF getreten und haben die WEF Verantwortlichen mit der Kritik des Public Eye on Davos konfrontiert. Dieses Jahr werden auf einen solchen Dialog verzichten, da uns dies für die Erreichung unserer Ziele wenig sinnvoll erscheint. Das WEF ist bisher vor allem durch seine Rhetorik aufgefallen. Doch daran sind wir nicht interessiert.

Unabhängige Public Eye Konferenz in Davos
Hingegen werden wir den Druck von aussen verstärken. Dieses Jahr organisiert The Public Eye eine unabhängige, internationale Konferenz, die vom 25. bis am 28. Januar, also zeitgleich zum WEF, in Davos stattfinden wird. Die Public Eye Konferenz konzentriert sich vor allem auf vier Themenbereiche: Globale Entscheidungsstrukturen, Kontrolle von Transnationalen Konzernen, internationale Finanzbeziehungen und internationale Handelspolitik. Rund 20 Gäste aus dem Süden und dem Norden werden an dieser Konferenz teilnehmen (siehe Programm).
An der Public Eye Konferenz wird anhand von Fallbeispielen gezeigt, welche verheerenden Auswirkungen der aktuelle Globalisierungsprozess auf die Mehrheit der Weltbevölkerung hat und welche Massnahmen ergriffen werden müssten, damit dem anhaltenden Dumping von Sozial- und Umweltstandards ein Riegel geschoben wird.
Abgesehen von diesen Veranstaltungen sollen einmal am Tag wichtige Reden, die am WEF gehalten werden, an der Public Eye Konferenz kritisch kommentiert.

Position gegenüber der Demonstration
Die Erklärung von Bern befürwortet öffentliche Demonstrationen und ist auch immer wieder für das Recht, in Davos während des Weltwirtschaftsforums zu demonstrieren, eingetreten. In der Gewaltfrage vertritt die EvB jedoch eine eindeutigere Haltung als das Organisationskollektiv der Demonstration. Daher trägt die EvB diese Demonstration nicht mit. Und auch The Public Eye on Davos gehört nicht zu den Trägerorganisationen der Demonstration, die auf den 27. Januar angesagt ist.
Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass momentan eine eigentliche Hetzkampagne auf jene, die demonstrieren wollen, stattfindet. Auch wenn darunter vermutlich viele sind, die ihren Protest gegen die aktuelle wirtschaftliche Globalisierung auf friedliche Weise kundtun wollen. Wir hoffen, dass es in Davos nicht zu Gewalt kommt – von keiner Seite her.

Vernetzung des Widerstandes
Der Widerstand gegen die intransparente, undemokratische und letztlich zerstörerische Globalisierungspolitik wird immer grösser und breiter. Immer mehr Leute stören sich an der Rücksichtslosigkeit, mit welcher die Privatwirtschaft im Namen des Profites vorgeht und an Einfluss gewinnt, und immer mehr artikulieren ihre Unzufriedenheit, an Konferenzen oder auf der Strasse. Seit Seattle waren an allen grösseren Wirtschaftsanlässen Kritikerinnen und Kritiker zugegen. Erinnert sei hier an die Jahrestagung von IWF und Weltbank im Frühjahr in Washington, an Prag, Melbourne und Nizza.
Neben der Public Eye on Davos Konferenz gibt es weitere Initiativen und Aktivitäten zur Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos: zum ersten Mal werden christliche Kreise aktiv, eine Demonstration, ich habe sie bereits erwähnt, ist angekündigt, und in Porto Alegre im Süden Brasilien tagt zeitgleich das Weltsozialforum, zu dem rund 3000 Vertreterinnen und Vertreter von Nicht-Regierungs-Organisationen, sozialen Bewegungen und Gewerkschaften erwartet werden. Zwischen den beiden Konferenzen The Public Eye on Davos und dem World Social Forum soll einmal täglich eine Brücke geschlagen, so dass Stimmen aus Porto Alegre auch in Davos präsent sind.
Sämtliche Aktivitäten, die vom Public Eye on Davos organisiert werden, sind öffentlich zugänglich. Eine Anmeldung ist nicht nötig. Stattfinden wird das Ganze schräg vis-a-vis des Kongresszentrums in der Holländischen Asthmaklinik, an der Scalettastrasse 19.

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Pressekonferenz vom 11. Januar 2001 zur Lancierung von «The Public Eye on Davos 2001 – internationale Kampagne zum Weltwirtschaftsforum»

Referat von Miriam Behrens
Pro Natura, Projektleiterin Politik / Internationale Koordinatorin

Pro Natura fordert eine wirtschaftspolitische Trendwende
Wenn sich in Davos die einflussreichsten Bosse aus Politik und Wirtschaft zum informellen Gedankenaustausch treffen, sind Zaungäste unerwünscht. Weit weg von der Öffentlichkeit treiben sie die Globalisierung voran und bauen ihren Einfluss auf die Gesellschaft aus. Gemeinsam mit ihrem Dachverband "Friends of the Earth International" und andern Organisationen schaut Pro Natura den Mächtigen auf die Finger. An gewalttätigen Demonstrationen hingegen nimmt Pro Natura nicht Teil.

Politische Schranken werden abgebaut
Die wirtschaftliche Globalisierung und mit ihr das wirtschaftliche Wachstum ist zwar eine Folge der rasanten technologischen Entwicklung, aber nicht nur. Sie wird auch aktiv herbeigeführt und gefördert. Politische Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, beispielsweise für Waren- und Finanzflüsse, werden systematisch abgebaut. Auch Umweltstandards und Umweltgesetze werden dem Wachstum geopfert.
Die multinationalen Konzerne treiben diese Entwicklung voran. Zur Durchsetzung ihrer Interessen spielen sie Regierungen gegeneinander aus. Und nicht nur Regierungen bekommen die Macht der Konzerne zu spüren. Auch internationale Gremien wie die Weltbank, die Welthandelsorganisation oder die UNO werden unter Druck gesetzt. Zum Beispiel in Davos.

Gewinner und Verlierer
Wirtschaftliches Wachstum ist heute gleichbedeutend mit erhöhtem Rohstoffverbrauch, wucherndem Güterverkehr und Abnahme der Biodiversität weltweit. Das massive Wirtschaftswachstum der letzten 50 Jahre hat Umweltprobleme in nie gekanntem Ausmass gebracht. Die natürlichen Rohstoffe werden weltweit geplündert und Rückzugsgebiete für Pflanzen und Tiere werden immer seltener. Rund die Hälfte aller Wälder der Erde sind bereits jetzt abgeholzt und ein Viertel der Säugetierarten sind weltweit vom Aussterben bedroht.
Wirtschaftliche Interessen haben allerhöchste Priorität – internationale Übereinkommen in andern Bereichen, beispielsweise Umweltabkommen, sind schwach oder werden übergangen. Lokale und nationale Bemühungen im Naturschutz werden untergraben. Denn die ungebremste Liberalisierung, wie ihn auch das Weltwirtschaftsforum in Davos vorantreibt, bevorteilt die Macht des Marktes. Die Natur wird für schnelles Geld geopfert.

Wege zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise: Die Pro Natura Position
Pro Natura ist der Meinung, dass die Wirtschaft globale Rahmenbedingungen braucht, damit der Schutz der Umwelt und der Erhalt der Biodiversität weltweit gewährleistet werden kann. Wirtschaftliche Aktivitäten müssen ökologische Grenzen respektieren. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es eine wirtschaftspolitische Trendwende.
Pro Natura setzt sich daher gemeinsam mit ihrem Netzwerk "Friends of the Earth International" für neue Rahmenbedingungen für eine ökologisch und sozial nachhaltige Wirtschaftsweise ein:

Wohlstand richtig messen
Das Bruttosozialprodukt muss Umweltverträglichkeit einbeziehen
Rohstoffverbrauch senken
Bedeutende Änderungen der Produktions- und Konsummuster sind notwendig
Kostenwahrheit einführen
Produkte sollten die ökologischen und sozialen Kosten ihrer Herstellung sowie ihres Transportes beinhalten.
Schutz der Umwelt fördern
Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen muss Priorität über die wirtschaftliche Entwicklung haben.
Regionale Wirtschaftskreisläufe stärken
Der lokale und regionale Handel muss intensiver gefördert werden, um unsinnige Transportdistanzen zu vermeiden.
Institutionen reformieren
Regionale und internationale Handels- und Finanzinstitutionen wie die Weltbank, die Welthandelsorganisation und der Internationale Währungsfonds müssen Umweltregeln respektieren und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gewährleisten. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sie vollständig in die UNO integriert werden.
Konzerne besser kontrollieren
Mit der Wirtschaft müssen sich auch die Konzerne ändern. Dazu ist eine internationale Vereinbarung notwendig. Folgende Prinzipien müssen dabei beachtet werden: Verursacherprinzip, Vorsorgeprinzip, hohe Umweltstandards, obligatorische Prüfung der Umweltverträglichkeit.
Mehr Transparenz und demokratische Kontrolle
Gemeinden und Regionen, sowie nationale Parlamente müssen an der Ausarbeitung internationaler Abkommen beteiligt werden.
«Warum der Wiedehopf nicht mit sich handeln lässt»
So lautet der Titel der jüngsten Pro Natura Publikation. Sie befasst sich mit der wirtschaftlichen Globalisierung und ihren negativen Auswirkungen auf Natur und Umwelt. Wirtschaftliches Wachstum ist heute gleichbedeutend mit erhöhtem Rohstoffverbrauch und gleichzeitiger Abnahme der Biodiversität weltweit. Internationale Handelsregeln gefährden beispielsweise den Schutz von Meeresschildkröten. Private Konzerne bauen in den wenigen verbleibenden tropischen Urwäldern Bodenschätze ab und verschmutzen dabei die Umwelt. Anhand von Fallbeispielen wird aufgezeigt, welche konkreten Effekte Handel und Investitionen auf die Artenvielfalt haben können, auch direkt vor Ihrer Haustür.

Quelle:Erklärung von Bern (EVB)
Link:www.evb.ch/a_davos.htm#refjp

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