| Datum : | 4.9.2004 | Ort: | Züschen | Gleitschirm oder Drachen: | Drachen | Verletzung: | Striemen und leichte Prellungen am Rücken. | Pilotenerfahrung: | In der A-Schulung | Gerät : | Gyro 180 | DHV Klassifizierung: | 1-2 | Flugphase: | Kurz nach Start. | Wetter: | Sonnig, leichter thermisch bestimmter Wind, phasenweise seitlich, dann wieder von vorn. | Beschreibung : | Eigentlich sah an diesem Wochenende die Wettervorhersage ideal für den Ettelsberg aus. Am Startplatz ist aber statt Nordwind eher "kein Wind", oder sogar "Seitenwind von Ost" angesagt war. Bei den Umständen empfiehlt mein Fluglehrer die Ski-Piste in Züschen. Dort steht der Wind direkt auf dem Hang.
Ich züsche also nach Züschen, baue dort parallel zu einer holländischen Paraschul-Gruppe den Drachen auf und übe in Starts und Landungen (Höhendifferenz geschätzte 30m-40m). Dabei stellt sich heraus, dass ich offensichtlich in den letzten Monaten ohne Training das Lande-Timing verlernt habe. Ich verpasse jedenfalls bei den ersten drei Versuchen systematisch den richtigen Zeitpunkt zum Ausstoßen. Der Drache ist schon fast verhungert wenn ich es versuche und statt eines Flares gibts nur eine kurze Roll-Landung ungefähr so, wie es bei einem Segelflugzeug optimalerweise läuft (Gut dass es Basis-Räder gibt). Einer der Gleitschirm-Lehrer erbarmt sich meiner Landetechnik und stellt die Diagnose, dass ich den ganzen Endanflug schneller angehen sollte. Vorher wäre ich schön schnell, nur sobald es in Richtung Boden geht, würde ich den Drachen noch vor dem Bodeneffekt aushungern. Nach diesem Hinweis gelingen mir noch drei Flüge mit stehender (ok, "laufender") Landung bevor der Abend-Talwind Starts unmöglich macht.
Am Sonntag ist der Wind noch ein wenig mehr auf Ost gedreht, so dass der Ettelsberg schon deshalb unstartbar ist. Auf der Piste in Züschen wechselt sich leichter Seitenwind mit Phasen ab, bei denen es von vorne weht. Als ich eintreffe, macht die holländische Gleiter-Gruppe gerade ihre letzten Schulungsflüge und zieht ab zum Mittagessen und Rückfahrt. Bevor er geht, gibt der Startleiter mir noch den Tipp, mich auf der West-Seite der Piste zu halten, um von Lee-Verwirbelungen hinter den Bäumen im Osten fern zu bleiben. Das sehe ich ein und stelle mich zum Start auf die West-Seite. Ich nehme mir vor, die Landungen sicherer hin zu bekommen und starte wie am Samstag von den bewussten 30-40 Metern des letzten Pisten-Abschnitts. Bei drei der ersten vier Flügen gelingt die Landung im Sinne von "auf zwei Beinen" und einmal verpasse ich alles und es wird eine klassische Schleif-Landung. Für die Starts warte ich jeweils auf Wind von vorne und habe keine Probleme. Einmal erwische ich eine Thermik-Ablösung, die mich einige (zehn? zwanzig?) Meter hoch trägt und zu einem spontanen Ausstoß von Glückshormon führt. Ich spiele mit dem Gedanken von weiter oben zu starten, schaue mir schon mal die Aussicht von der potentiellen Startkante an, habe aber Bedenken zu weit über das Ende der (großen) Landewiese hinaus zu kommen. Außerdem wäre die Höhendifferenz vermutlich nicht wirklich vom L-Schein abgedeckt.
Wieder an "meiner" Startposition stelle ich fest, dass der globale Wind noch weiter auf Ost gedreht hat und lokal die seitlichen Brisen stärker geworden sind. Aber es gibt immer noch Zeiten mit Wind von vorne. In so einer Phase starte ich und denke, dass das wohl der letzte Flugversuch des Tages wird. Das wird er auch, aber anders als gedacht. Start wie immer: Ausrichten, erste Schritte, dann schneller und auf-lauf-lauf dabei umgreifen und zusehen, dass der Steuerbügel nicht nach vorne wegwandert.Einige Sekunden nach dem Abheben merke ich, dass der Drachen dabei ist, eine Links-Kurve zu machen. Ich lenke dagegen --- keine Reaktion --- lenke mehr --- endlich neigt er sich langsam nach rechts. Gleichzeitig sehe ich, dass ich viel zu sehr nach links fliege -- In spitzem Winkel auf den Lift am Rand der Piste zu!!!! Ich habe gerade noch Zeit mir den Crash mit dem Liftseil vorzustellen und dann passiert genau das. In den nächsten Sekunden habe ich wohl die Augen geschlossen, jedenfalls wirbelt es mich herum ich und ich falle senkrecht nach unten auf den Rücken ---> Rummmmms. Nach ein paar Sekunden bin ich wieder soweit berappelt, dass ich aufstehen kann. Erstaunlicherweise kann ich alles bewegen und fühlen. Außer ein paar dicken Striemen auf dem Rücken, die wohl vom Kniehänger-Gurtzeug stammen, ist mir nichts passiert (!).
Die herbeigeeilte Wirtin der lokalen Skihütte bekämpft meinen Schockzustand mit einer Apfelsaftschorle und hat für die Striemen ein Stück Verband-Mull --> Danke! Der Drachen ist allerdings hin: Kielrohr gebrochen, rechtes Flügelrohr gebrochen, Anströmkante durchstoßen, Nasen-Gelenk nicht mehr in Original-Form. Totalschaden also.
Fazit: Massenweise Glück, dass ich nur das Seil und nicht einen der Stahl-Masten getroffen habe, dass unter meinem Rücken kein Stein lag, dass der Drache sich als Knautschzone geopfert hat, dass mich kein zerbrochenes Rohr aufgespießt hat.... | Analyse: | Die Ursache? Pilotenfehler natürlich. Und zwar mehr als einer.
* Ich hätte den Startplatz nicht so nahe an den westlichen Pistenrand legen dürfen. Der Hinweis auf die Lee-Wirbel war sicher richtig. Die Piste ist dort etwa 100m breit, da hätte es gereicht, leicht westlich von der Mitte zu starten.
* Die Gefahr die von dem Lift ausgeht, hatte ich völlig ausgeblendet -- Bis ich auf das Lift-Seil zuflog (!).
* Wenn der Wind mal so mal so kommt, dann _muss_ man damit rechnen, dass es einen nach dem Start abtreibt. Habe ich aber nicht.
* Wahrscheinlich hätte ich direkt nach dem Start noch mehr beschleunigen können und wäre so unempfindlicher gegen Windstörungen geworden.
* Hätte ich gleich energischer gegen-gesteuert und wäre die Links-Kurve weniger stark ausgefallen und ich hätte den Lift verfehlt. Mein Start ist noch zuviel blinder Ablauf ohne direkte Reaktion auf Störungen.
* Besonders bedenklich: Das falsche Gefühl alles im Griff zu haben, nachdem die ersten Flüge des Tages gut gelaufen sind.
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