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Headline:Rio+10: Die Chance und das Risiko
Stichwort:Rio 10+
Rubrik:Nachhaltige Entwicklung
Datum:5.Februar.2002, 11:08
Text:Medienmitteilung WWF Schweiz

Zürich, 01.02.2002

Von Claude Martin: Generaldirektor des WWF International in Gland

Der im Jahr 2002 in Johannesburg stattfindende "Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung" könnte einen wichtigen Beitrag leisten, die Kluft zwischen Arm und Reich zu mindern. Die Teilnehmer müssen sich jedoch bewusst werden, dass die Trennung von wirtschaftlichen und umweltbedingten Komponenten der Armut zu einfach und letztlich kontraproduktiv ist.


Es trennen uns noch etwa sechs Monate von dieser gigantischen internationalen Konferenz, die auch "Rio+10" genannt wird, deren offizieller Titel aber "Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung" oder WSSD (World Summit on Sustainable Development) lautet. Die Terminkalender füllen sich rasant mit Daten für Meetings, Diskussionsgruppen und Plenarsitzungen, in denen alle Aspekte der Nachhaltigkeit untersucht werden sollen. Einmal mehr erwarten die Menschen von einem internationalen Gipfeltreffen, dass es einige der schwerwiegendsten Probleme der Welt lösen wird. Nun, dies ist nicht das erste Mal - und die Ergebnisse, die solche Konferenzen normalerweise präsentieren, sind bestenfalls gemischt.

Trotzdem glaube ich, dass Rio+10 mehr als jede Vorgängerveranstaltung die Chance bietet, die Mechanismen, die unsere Welt steuern, wirklich zu verändern. Die Ereignisse des vergangen Jahres, wie die Zerstörung des World Trade Centers in New York und der darauf folgende Konflikt in Afghanistan, haben viele sensibilisiert und auf die Ursachen der sozialen Spannungen und Ungerechtigkeiten, die unsere Welt destabilisieren, aufmerksam gemacht. Vor diesem Hintergrund erscheint der Gipfel von Johannesburg als ideales Forum, um die komplexen Ursachen von sozialen Konflikten und Armut zu analysieren und zu einer gemeinsamen Sichtweise zu gelangen. Ungerechter Zugang zu Ressourcen, Marktversagen und politische und demografische Ungleichgewichte: Das sind Fragen, denen sich Rio+10 stellen muss.

Eine gewisse Veränderung im Umgang mit sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten ist spürbar. Die Menschen erkennen, dass diese Probleme mit dem Umgang von Gesellschaft und Wirtschaft mit den natürlichen Ressourcen (Wäldern, Böden, Süsswasser, Meeren) verbunden sind. In den ländlichen Gebieten, in denen die meisten armen Menschen leben, spielen diese Umweltgüter eine lebenserhaltende Rolle. Eine Tatsache, die von zwischenstaatlichen Organisationen zumindest im Ansatz erkannt wurde.

Diese Zusammenhänge wurde vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, in seinem jüngsten Bericht über die Implementierung der Agenda 21 treffend zusammengefasst: "Um die Armut zu verringern und einen nachhaltigen Lebensstil zu ermöglichen, braucht es wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung, ein nachhaltiges Ressourcenmanagement und Umweltschutz." Wenn diese Aussage zum Leitsatz der Diskussionen in Johannesburg erhoben würde, könnte der Weltgipfel Rio+10 einen sehr wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Armut und Ungleichheiten leisten.

Die Chance ist da - wir brauchen sie nur zu ergreifen. Im Zuge der Vorbereitungen zu Rio+10 werden aber auch wieder ganz andere Stimmen laut. Besonders eine Äusserung lässt mich besorgt aufhorchen: Lasst uns zuerst die Armut in Angriff nehmen. Wenn dieses Problem gelöst ist, können wir uns um die Umwelt kümmern. Der erste Satz klingt ja verlockend, doch wie der WWF bereits vor Jahren sagte: Armut ist keine Zahl - Die Umwelt ist kein Schmetterling.** Die Trennung von Wirtschaft und Umwelt ist zu einfach und letztlich kontraproduktiv.

Der Zusammenhang zwischen Armut in ländlichen Gebieten und der natürlichen Umwelt ist heute gut erforscht und dokumentiert. Ein Beispiel: In Zimbabwe beziehen Farmer in kommunalen Gebieten "ungefähr 35 Prozent des Gesamteinkommens aus frei zur Verfügung stehenden Umweltgütern". Das bedeutet: Millionen von Bürger in Zimbabwe Leben von der Selbstversorgung und vom Verkauf von Umweltgütern (Holz und Lebensmittel).

Warum befasst sich der Weltentwicklungsbericht 2000/1 der Weltbank im Bereich Umwelt, nur mit Naturkatastrophen und deren grosse Auswirkung auf die Ärmsten? Weshalb wird die wirtschaftliche Bedeutung der natürlichen Ressourcen nicht erwähnt? Warum wird nicht darauf hingewiesen, dass zur Linderung der Armut der ländlichen Bevölkerung der Zugang und die Kontrolle der Umweltgüter zugestanden werden muss? Die Weltbank definiert Armut als "erheblichen Mangel an Wohlbefinden". Aber offensichtlich erkennt sie nicht, dass die Umweltressourcen die Basis bilden, um den Mangel an Wohlbefinden beseitigen zu könnten.

Um fair zu bleiben: Wir haben viel gelernt, wenn es darum geht, Armut zu verstehen. Heute wissen wir, dass Armut aus der Wettbewerbsbeziehung zwischen den Menschen, sozialen Gruppen und Staaten, die nach Reichtum und politischer Macht streben, entsteht. Wir müssen einen nächsten Schritt tun und erkennen, dass Armut nicht einfach durch weiteres Wachstum von Wirtschaft, Handel und Konsum und durch die verstärkte Nutzung von Ressourcen ausgemerzt werden kann.

Noch heute postulieren viele Regierungen und internationale Institutionen, dass wirtschaftliches Wachstum die oberste Priorität hat. Diese Strategie wird weder die Armut lindern noch den Umweltschutz verbessern. Wenn es Rio+10 nicht gelingt, eine Kursänderung herbeizuführen und für den integrierten Ansatz der "nachhaltigen Entwicklung" zu werben, wird sich an den Ergebnissen internationaler Konferenzen nur wenig ändern.

Quelle:WWF Schweiz
Link:www.wwwf.ch


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