Kultusministerin ließ Brief zur Regierungspolitik in den Schulklassen verlesen
17.Mai.2001 Kultusministerin Erdsiek-Rave hat einen "an die Realschülerinnen und Realschüler des Landes Schleswig-Holstein" gerichteten Brief zur Schulpolitik der Landesregierung von den Lehrerinnen und Lehrern in den Schulklassen verlesen lassen. Zu diesem Vorgang erklärte heute der bildungspolitische Sprecher der F.D.P.-Landtagsfraktion, Dr. Ekkehard Klug:
"Zu Kaisers Zeiten hätten die Schüler zur feierlichen Verlesung solcher Proklamationen der Obrigkeit noch aufstehen und Haltung annehmen müssen. Ansonsten hat sich aber nur wenig geändert".
Der F.D.P.-Politiker bezeichnete es als einen Missbrauch von Regierungsbefugnissen, wenn die Unterrichtszeit der Schüler zur Rechtfertigung der Regierungspolitik zweckentfremdet würde.
Die Realschüler hatten sich zuvor in einer Briefaktion bei der Ministerin über Unterrichtsausfall und Lehrermangel beschwert. "Wenn die Kultusministerin ihre Antwort außerhalb der Unterrichtszeit an die Schüler hätte verteilen lassen, so wäre dagegen sicher nichts einzuwenden. Dass Lehrerinnen und Lehrer aber dazu angehalten werden, ein drei Seiten langes Sendschreiben der Ministerin während der Unterrichtszeit zu vorzulesen, ist eine geradezu unglaubliche Aktion dieser Landesregierung", meinte Klug. Auf diese Weise werde nicht nur knappe Unterrichtszeit vernichtet. Auch die Inanspruchnahme der Lehrerinnen und Lehrer als "Verkünder ministerieller Botschaften" sei in einem demokratischen Gemeinwesen nicht hinnehmbar.
Die scherzhafte Titulierung der Ministerpräsidentin als "Her Royal Wellness" scheine das Kultusministerium aber beflügelt zu haben, sich in entsprechender Form als Obrigkeit an die Schüler zu wenden. Zwar enthalte ein ähnlicher Brief an die Eltern, der von der Kultusministerin zur Verlesung in den Elternversammlungen der Realschulen bestimmt worden sei, in Bezug auf das Problem des zunehmenden Unterrichtsausfalls die Aussage "Wir befinden uns in einer Situation, die in bestimmten Bereichen durch staatliche Steuerung nur schwer zu verändern ist", aber es sei dem Kultusministerium gleichzeitig offenbar überhaupt nicht schwergefallen, seine eigenen Rechtfertigungsschriften zur Lage an den Schulen per staatlicher Steuerung durch die Lehrer vor Eltern und Schülern verlesen zu lassen.
"Dieser Widerspruch scheint der rot-grünen Landesregierung gar nicht mehr aufzufallen: Einerseits zeigt sie sich angesichts der zunehmenden Mängel der Unterrichtsversorgung hilf- und ratlos, andererseits setzt sie Tausende von Lehrern als Vorleser regierungsamtlicher Sendschreiben ein", meinte Ekkehard Klug hierzu.
Die F.D.P.-Landtagsfraktion erwarte von Landesregierung einen sofortigen Stopp dieser Aktion.
Im übrigen sei die Landesregierung gut beraten, auch im eigenen Interesse nicht mehr so zu verfahren. "Wie mir berichtet wurde, haben Lehrer bei der Verlesung der Ministerinnen-Enzyklika mehrfach laut lachen müssen. Ehrfurcht und Verständnis für die sozialdemokratische Obrigkeit wird auf diese Weise also ganz sicher nicht befördert", meinte Klug abschließend. - fdp -
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