Vor langer Zeit lebte in einem Land, weit im Süden, im Land, wo die Zitronen blühen, ein Domino.
Er zog kreuz und quer durch die Lande, spielte auf seiner Violine, so sehnsuchtsvolle Lieder, dass die Menschen vor Rührung weinten, doch sein Tanz erfreute sie, machte die Menschen froh. So ward ihm immer ein gedeckter Tisch und ein Dach über dem Kopf.
Eines Tages kam er in eine grosse Stadt. Auf der Suche nach einem Nachtlager fand er eine Herberge, inmitten der Stadt. Der Wirt versprach ihm Kost und Bett, wenn er für die Gäste spiele. Das tat der Domino und die Herberge war voll, wie lange nicht mehr. Als der letzte Gast gegangen war, sass der Domino alleine am Tisch, nachdenklich, denn er hatte vor vielen Jahren seine Liebe verloren, ihm war schwer ums Herz.
Er wollte gerade aufstehen, da hörte er eine leise, süsse Stimme, die sprach: " Domino, lieber Domino, pass auf, wohin du trittst, du zertrittst dein Glück."
Verwundert schaute er sich um, doch die Schänke war leer. Da hörte er wieder die Stimme:" Sieh nach unten, am Tischbein." Er bückte sich, da sass eine kleine, niedliche Maus. Er langte nach unten und die Maus sprang auf seine Handfläche. Sanft setzte er sie vor sich auf den Tisch. " Wer bist du?" sprach er erstaunt. "Ich bin die Zaubermaus", sprach sie," vor Jahren war ich eine Königstochter in einem fernen Land im Norden. Mein Vater war auf der Suche nach einem Ehemann für mich, doch ein mächtiger Magier aus dem Süden, der Magier von Sienna, freite um mich. Ich weigerte mich und er entführte mich hierher. Dann sprach er einen Zauber und ich wurde zu einer Maus. Einer Maus mit besonderen Gaben. Ich kann in die Herzen der Menschen sehen, sie verzaubern und glücklich machen.
In dieser Stadt gibt es allerdings viele Katzen, die sich über einen Happen freuen würden, doch der Wirt duldet keine in seinem Haus, und so lebe ich die ganze Zeit hier. Nur eine bestimmte Liebesgabe kann mich erlösen."
Der Domino war gerührt über das Schicksal der kleinen Zaubermaus, die Tränen liefen ihm über die Wangen.
" Liebe Maus, ich will dich erlösen", sprach er," doch wie soll ich das anfangen"?
"Genau weiss ich das auch nicht", entgegnete die kleine Zaubermaus, nur so viel, in einem verwunschenen Wald im Norden findest du die Antwort".
" So will ich eilen, den Wald suchen und den Zauber von dir nehmen".
Der Domino wollte aufstehen, doch die kleine Maus hielt ihn zurück.
" Warte, lieber Domino, lass mich meinen Zauber anwenden, er soll dich beschützen".
Sie sah ihm in die Augen, doch sie konnte nicht in sein Herz sehen, nur Traurigkeit und Herzeleid.
" Liebster Domino, du musst dein Herz öffnen und das Glück und die Schönheit der Welt erkennen, dann wirst du Erfolg haben. Denke daran, eine besondere Liebesgabe, die grösste, die ein Mensch geben kann".
Sie sprang vom Tisch und war verschwunden.
Lange sass der Domino stumm am Tisch, dann hatte er seinen Entschluss gefasst. Gleich morgen früh wollte er aufbrechen, den Wald zu suchen. Am nächsten Morgen war er schon bei Sonnenaufgang unterwegs nach Norden.
Tagelang wanderte er, konnte an nichts anderes mehr denken, als an die arme Zaubermaus, die sein Herz so gerührt hatte. Endlich sah er in der Ferne einen finsteren Wald.
Er kam näher und der dunkle Wald ängstigte ihn. Doch das Schicksal der kleinen Maus verlieh im Mut und er betrat den Schatten der Bäume.
Zielos wanderte unter den Laubdächern dahin, da trat plötzlich ein Reh aus dem Dickicht, sah ihn mit seinen braunen Augen an und sagte: " Domino, ich weiss, warum du hier bist, vielleicht kann ich dir helfen, doch erst musst du meinem Kind helfen".
Er sprach zu dem Reh: " Wie kann ich dir helfen"?
Das Reh führte ihn zu einer Hecke, in der ein kleines Rehkitz hilflos in einer Drahtschlinge zappelte, die ein Jäger gelegt hatte. Vorsichtig befreite der Domino das Tier.
Das Reh sprach: " Geh weiter, an der nächsten Kreuzung musst du den rechten Weg nehmen, gehe zwei Meilen und du kommst an einen Turm. Dort lebt die schlaue Eule, die kann dir sicher helfen. Und habe Dank, Domino, das Glück sei mit dir".
Daraufhin verschwand das Reh.
Der Domino setzte seinen Weg fort, kam an die Kreuzung und wollte den rechten Weg nehmen. Da schwindelte ihn, er wusste nicht mehr, welches der richtige Weg war.
Das war ein Werk des Magiers.
In Gestalt eines Rabens sass er auf einem Baum und belegte den Domino mit seiner Magie.
Am Wegkreuz stand in der rechten Richtung...hier findest du dein Herz. Die linke aber zeigte...hier findest du dein Glück. Was suchte er denn? Sein Herz? Sein Glück?
Verwirrt setzte er sich auf einen grossen Stein.
Da sprach der Stein zu ihm:" Domino, höre, höre mich an, der Magier kann mir nichts antun, ich bin nur ein Stein. Spiele ein Lied für mich und ich sage dir, welchen Weg du nehmen musst".
Der Domino nahm seine Violine und spielte ein solch trauriges und rührendes Lied, dass es zum Steinerweichen war.
" Nimm den rechten Weg, den rechten", schluchtzte der Stein.
Verärgert und Verwünschungen ausstossend, flog der Rabe davon.
Doch der Domino setzte seinen Weg fort. Und er nahm den rechten Weg.
Kurz bevor die Sonne unterging, gelangte er an einen uralten Turm. Hier sollte die weise Eule leben.
Er beschloss, die Nacht hier zu verbringen. Eingehüllt in seinen Umhang, legte er sich nieder.
Plötzlich vernahm er eine tiefe Stimme, die zu ihm sprach:" Domino, du suchst die Antwort auf eine schwere Frage"? Er setzte sich auf und entgegnete: Ja, bist du die Eule"? Die Stimme antwortete:" Ja, die bin ich und ich will dir helfen. Du hast ein gutes Herz, du musst es nur wiederfinden. Komm näher". Der Domino stand auf und näherte sich scheu der grossen Eule, die im Mondlicht auf einem Balken im Turm sass.
" Höre mir gut zu, es ist das schwerste, das ein Mensch tun kann für seine Liebe". Und die Eule flüsterte dem Domino ins Ohr. Bei ihren Worten wurde er blass wie das Mondlicht und im wurde angst und bang. Doch er versprach der Eule, ihrem Wort zu folgen.
Am nächsten Morgen machte er sich betrübt auf den Heimweg. Sein Herz war schwer und seine Gedanken auch. Doch als er an die arme, verwunschene Zaubermaus dachte, wurde ihm plötzlich so warm ums Herz und er spürte, wie das Eis, welches jahrelang um sein Herz gelegen hatte, schmolz. " Ja", sagte er zu sich, ich werde es tun".
So gelangte er wieder in die Stadt.
Es dämmerte schon, und er betrat die Kirche, die der Herberge gegenüber lag. Er betrat den Glockenturm und machte sich dort zu schaffen.
Die ganze Nacht war er am Werk.
Am nächsten Morgen, einem Sonntag, versammelten sich die Bewohner der Stadt vor der Kirche, um am Gottesdienst teizunehmen.
Da hörten sie von oben eine Stimme, die rief:" Zaubermaus, liebste Zaubermaus, ich will dich erlösen".
Die kleine Maus hörte die Stimme ihres Domino und sprang erschrocken aufs Fenstersims. Da sah sie, und mit ihr die ganze Stadt, was der Domino in der Nacht getan hatte.
Vom höchsten Punkt des Kirchturmes spannte sich ein dünnes Seil in schwindelnder Höhe über die Strasse zum Dach des Nachbarhauses.
Oben stand der Domino im Glockenfenster des Turmes, sah hinunter und rief:" Ich tanze für euch, gute Leute, ich werde die Zaubermaus erlösen".
Und er betrat das Seil, das schwankend im Wind wehte.
Die Menge unten schrie erschrocken auf.
Die kleine Zaubermaus aber, der Gefahr nicht gedenkend, sprang vom Fenstersims, rannte durch die Tür und über den Platz, so schnell sie ihre Beine tragen konnten. Zum Glück waren durch den Menschenauflauf alle Katzen geflüchtet und sie erreichte den Turm, sprang die Treppen empor und erreichte atemlos den Anfang des Seiles.
Inzwischen war der Domino in der Mitte angelangt und rief:" Liebste Zaubermaus, ich weiss nun, was das grösste und edelste ist, das ein Mensch seiner Liebe opfern kann, sein Leben".
Und er setzte an, in die Tiefe zu springen.
Da schrie die Maus:" Warte, lieber Domino, dann nehme mich mit".
Und sie lief das Seil entlang zu ihrem Domino, sprang auf seine Hand und sah im in die traurigen Augen.
Er fing an zu lächeln, das erste mal seit Jahren.
Urplötzlich erhob sich ein Wind, der immer stärker wurde, den Domino und die Zaubermaus erfasste, in die Luft wirbelte, immer höher und höher.
Die Menschen unten schrien erstaunt auf, denn auf einmal hatte der Domino eine wunderschöne Frau an der Hand.
Die Macht des Magiers war für alle Zeit durch die Macht der Liebe gebrochen.
Sie schwebten immer höher und höher, entschwanden den erstaunten Augen der Menschen auf der Erde, schwebten geradewegs in den siebten Himmel der Liebe, wo sich ihr Glück erfüllte.
Seit dieser Zeit wurde kein Domino und keine Zaubermaus je wieder auf Erden gesehen.
Sie lebten in ihrem Himmel, dem Himmel der Liebenden und waren für immer glücklich.
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